Am 7. Spieltag stand zunächst das Heimspiel gegen das damalige Tabellenschlusslicht aus Neuenkirchen an. Warum auch diesmal kein Punktgewinn gegen die Münsterländer heraus sprang, konnte keiner so recht nachvollziehen. Statt der 3:5 – Niederlage, die schließlich zu Buche stand, war ein ebenso hoher Sieg möglich. Verwunderlich, dass es einfach bei unseren Heimspielen nicht klappen will, obwohl unser neues Domizil in der Friedrich – Ebert Straße kaum zu toppen ist. Leckerer Kuchen, belegte Brötchen, heiße und kalte Getränke, gute klimatische Bedingungen – was will das Schachherz noch mehr?
Aber außer André, der sauberes Positionsspiel betrieb und in ein gewonnenes Läuferendspiel abwickelte, war keiner in der Lage, die gegnerische Stellung aus den Angeln zu hebeln. Okay, mir wäre dies fast gelungen: Houdini zeigte bei der späteren Analyse ein ordentliches Plus nach Txf7 an. Statt der von mir eingeschätzten +6 sah er die Stellung trotz materiellen Gleichgewichts bei +15! Wohlgemerkt: nicht Grad sondern Bauerneinheiten! Da es aber der 37. Zug und die Zeitkontrolle nicht mehr weit war, gab es keinen Einschlag auf f7. Der Turm traute sich nur nach f2, so dass die Houdini – Werte gleich in den Keller gingen. Stefan Arndt fragte mich angesichts dieses Werteverlustes später, wie man mit einem Zug quasi zwei Damen einstellen könne. Auf eine Erklärung wartet er heute noch. Am Ende konnte ich mich nach ein paar Klimmzügen in ein Remis retten.
Aber auch bei Stefans Partie war einiges drin. Die alte Schachweisheit „Springer am Rand bringt Kummer und Schand“ hätte er mit einem Ausritt nach h5 diesmal widerlegen können. Die meisten Schachprogramme wären mit seiner Stellung sicherlich sehr zufrieden gewesen. Als dann die gegnerischen Figuren aber seinen Damenflügel unter Beschuss nahmen, erwies sich sein Gaul als schlechter Verteidiger, so dass der Punkt an den Spieler aus Neuenkirchen ging. Altmeister Hans hatte bei seiner Super – Stellung fast die freie Auswahl, wie er den Sieg einfahren konnte. Bei zwei satten Mehrbauern war die weiße Stellung quasi reif für die Aufgabe. Das Blatt wendete sich, als ein weißer Bauer Richtung 8. Reihe strebte. Nach Abtausch der Schwerfiguren behielt Hans einen „schlechten Läufer“. Auch hier endete die Partie mit einem Sieg des Gastes.
Eugen hatte zuvor ein von ihm analysiertes Gambit aufs Brett fabriziert und etliche Versuche unternommen, die gegnerische Festung zu knacken. Dies gelang ihm nur ansatzweise, so dass eine Punkteteilung später unausweichlich war. Auch Stefan, unser Mann am Spitzenbrett, agierte –wie immer bei Heimspielen- mit den schwarzen Steinen. Sein Bauernangriff am Königsflügel wurde vom Gegner entschärft und später mit einem Bauerngewinn am Damenflügel gekontert. Mit einer Zugwiederholung erzwang Stefan schließlich den halben Zähler. Die vierte Punkteteilung ging auf Achims Konto. Obwohl sich auf dem Brett noch etliche Figuren tummelten, sah keiner der Kontrahenten, wie er einen Vorteil erspielen konnte. „Volle Konzentration dem Damenflügel“ war die Devise von Martin in der Eröffnung. Tatsächlich gelang es ihm zunächst, den Gegner zu unorthodoxen Zügen wie Ta7 zu nötigen. Nachdem sich das Spiel auf seiner linken Seite beruhigt hatte, preschte Martin mit dem f-Bauern um 2 Felder nach vorne, was seinem Gegner allerdings das schöne Läuferfeld auf e4 überließ. Als sich auch die gegnerische Dame und beide Türme richtig in Position gebracht hatten, wurde es um Martins König etwas zugig. Nachdem er ein nicht leicht zu sehendes Rettungsmanöver ausgelassen hatte, war die schwarze Dame nicht mehr zu bändigen.
Die Hoffnungen lagen an diesen Abend bei umfangreichen Analysen auf dem nächsten Auswärtsspiel!
Wie immer ist Treffpunkt bei Achim, wenn ein Auswärtsspiel ansteht. Dieses Mal ging die Tour hinauf nach Herford. Mehr als 150 km bedeutete frühes Aufstehen. Auf der Fahrt sorgte auf dem ersten Autobahnabschnitt Stefans Navi für etwas Verwirrung. Bei guter Verkehrslage erreichten jedoch alle rechtzeitig das Ziel, so dass sogar noch etwas Zeit für eine Analyse im Kofferraum blieb. Dann ging es aber fast pünktlich los. Für diejenigen, die während der Begegnung etwas frische Luft schnappen wollten, war der 3. Stock genau die richtige Spieletage, um auch den Kreislauf in Schwung zu halten.
Nach wenig mehr als 2 Stunden hatte Luis´ Gegner genug gesehen und gab auf. Qualitätsverlust und nicht zu verhindernder Damentausch waren zu viel. Dem 1:0 ließ wenig später Hans das 2:0 folgen. Insbesondere seine frühzeitigen Springerattacken setzten dem Gegner zu. Mit einem Läuferzug verhinderte der Herforder Spieler zwar Materialverlust am Damenflügel, lud Hans aber zum entscheidenden Schlag am anderen Ende des Brettes ein. In leicht verschachtelter Stellung erhielt Stefan A. ein Remisangebot, welches er in Anbetracht des Spielstandes ohne lange zu zögern annahm. Es folgte nun Achims Auftritt: Vor einem Jahr hätte er seine Partien nicht in der vorgetragenen Art und Weise angelegt. Statt sich von einem Bauernverlust in der Eröffnung irritieren zu lassen, schickte er zunächst den gegnerischen König nach f1 und bearbeitete wenig später den Schutz um den weißen Monarchen. Nachdem er die latenten gegnerischen Drohungen abgewehrt hatte, krönte er sein Spiel mit einem Turmopfer auf f2 und sorgte somit für den Ausbau der Führung zum 3,5:0,5.
An Andrés Brett hatten sich beide Spieler für die große Rochade entschieden, so dass direkte Königsangriffe ausblieben. Nach dem Abtausch etlicher Figuren hielten sich beiderseitige Drohungen in Grenzen. Da keiner der Kontrahenten das entstandene Ungleichgewicht, hervor gerufen durch den Abtausch Läufer gegen Springer, für sich nutzen konnte, stand es schließlich 4:1. Einen Mannschaftspunkt hatten wir also schon einmal verbucht. Trotz eher suboptimalen Spiels blieb es mir mit einem Unentschieden vorbehalten, den Mannschaftserfolg unter Dach und Fach zu bringen. Zum Zeitpunkt des gegnerischen Angebotes war die Stellung tatsächlich „tot remis“. Etliche Züge zuvor hatte ich auf mein unsortiertes Figurenknäuel aber kaum noch einen Pfifferling gesetzt.
Bei fast sommerlichen Temperaturen mussten sich Stefan und Eugen an Brett 1 und 3 allerdings noch längere Zeit „quälen“. Stefan, der bis dahin am Spitzenbrett ungeschlagen war, überzog seine Stellung, nachdem er ein Remisangebot abgelehnt hatte. Demselben Schicksal entging Eugen allerdings, indem sein Turm zwei gegnerische Bauern und den unterstützenden Läufer nicht zum Zuge kommen ließ. Ein seltenes Pattbild beendete nicht nur die Partie sondern den gesamten Kampf. Nach dem 5:3 – Sieg in Ostwestfalen tauschten wir mit den Gastgebern zunächst die Plätze (von 4 rauf auf 3) und überholten nach dem Dortmunder Erfolg auch noch das Team aus Niederkassel. Mit Tabellenplatz 2 vor dem letzten Spieltag hatte vor Saisonbeginn, erst recht nicht nach dem 1. Spieltag, wohl keiner von uns gerechnet. Fast sensationell, wenn dieser im Finale gegen Bochum II am 8. Mai verteidigt werden sollte. Dann winkt sogar ein Derby gegen Iserlohn um den Aufstieg in die NRW – Liga!
Norbert